Deutsche Übersetzung zum englischen Originalartikel aus der Diskussion des Karl Jaspers Forums im Internet
(http://www.mcgill.ca/douglas/fdg/kjf/)
Original-Titel: KARL JASPERS FORUM TA24 Commentary 22 (on Helmut Walther's C 21)
( RECOGNITION MATRICES ) by Ernst von Glasersfeld July 2 2000, posted 18 July 2000

KARL JASPERS FORUM TA24

Kommentar 22
(zu Helmut Walthers C 21)
von Ernst von Glasersfeld 2. Juli 2000, versandt 18. Juli 2000

WIEDERERKENNUNGSMATRITZEN

ABSTRACT

EvG definiert sein Verständnis von Herbert Mullers Begriff "Nullableitung" und meint, daß in seiner Sicht keinerlei Beziehung herrscht zwischen jener und der von ihm in TA24 C18 angesprochenen "Wiedererkennungsmatrix". Ceccatos Theorie der pulsierenden Aufmerksamkeit läßt sich einordnen unter Piagets Basisoperationen der Erkenntniskonstruktion. Dies sorgt für ein Modell, wie basierende sensorische Elemente (deren "externe" Ableitung bleibt unspezifiziert) koordiniert werden können, um eine Wiedererkennungsmatrix zu formen und später "Dingkonzepte", ein wenig ähnlich dem Weg, wie sich chemische Verbindungen aus den Elementen ergeben. Es ist gut möglich, die "Fuzzylogik" mit der Vorstellung Piagets von der "Assimilation" zu verbinden. In meinen Augen jedenfalls können Wiedererkennungsmatritzen nicht als "Repräsentationen" von irgendeinem "externen" Erfahrenden angesehen werden. Im Prinzip stimme ich mit HWs Abgrenzung von Verstand und Vernunft überein, aber in meinem Modell ist Vernunft nicht in die Wiedererkennung eingebunden. Ich freue mich auf eine Fortsetzung dieser Diskussion.

<1> In (11) Ihres Kommentars zu meinem C18 fragen Sie: "in welchem Zusammenhang sollen ... 0D-Matrix und ‘recognition matrix’ stehen?" – Ich sehe keinen, der sich bestimmen ließe. Ich verstehe Mullers "0-D derivation" als Negation des Bezugs auf eine "mind-independent’ Realität (GUW). Für mich ist "Null-Derivation" ein guter Ausdruck dafür, daß wir nicht sagen können, wie wir zu den ursprünglichen Elementen kommen, aus denen wir die Erfahrungswelt aufbauen.

Im letzten Absatz von §2 in Walthers Texts heißt es, "dieses ‘Umgreifende’ [könne] den innerhalb seiner selbst auftauchenden Begriffen keinerlei Bedeutungszusammenhang gewähren." Das stimmt genau. So ein Zusammenhang kann nur im Erfahrungsbereich einer "mind" erdacht werden, denn was die Erfahrung VERURSACHT, läßt sich nicht sagen (leider gibt es auf Deutsch kein passendes Wort für "mind" – denn "Geist" führt in eine allzu verschwommene Vorstellungswelt).

<2> (zu 13) Piaget hat einige mentale Operationen unterschieden, aber ihre Mechanik nicht beschrieben. Ceccato, der sich nicht mit Entwicklungspsychologie sondern mit Begriffsanalyse befaßte, hat ein Funktionsmodell der Aufmerksamkeit erfunden, das meiner Ansicht nach sehr gut "unter" die Piagetschen Operationen paßt. Von diesem Gesichtspunkt aus handelt es sich bei der grundlegenden Koordination von Elementen (die dann "Dinge" bilden können) ebensowenig um "Interpretation", als bei der Bildung von chemischen Verbindungen aus Elementen. Von Interpretation könnte ich erst sprechen, wenn eine Erkennungsmatrize entstanden ist.

<3> (zu 13a) Soweit ich HW verstehe, läßt sich "fuzzy logic" ganz gut mit Piaget’s Vorstellung von "Assimilation" vereinbaren. Hingegen kann ich nicht annehmen, daß die Erkennungsmatrizen "Repräsentationen für im Außen Begegnendes" sind, denn das würde meinem Begriff von der Null-Derivation und der unergründlichen Realität widersprechen.

<4> (zu 13 c) Ich bin froh, daß ich HWs Auslegung von "Verstand" und "Vernunft" nicht voreilig verwendet habe, denn nun sehe ich, daß sie sich nicht mit meinen Vorstellungen deckt. Die Koordination von sensorischen Elementen (C18,14 a) setzt bei mir eben noch keine "Ding-Erkenntnis" voraus. Die Gleichzeitigkeit soll nicht mehr heißen, als daß zwei oder mehr Elemente in einem Aufmerksamkeitsrahmen spür- oder bemerkbar sind (auf Deutsch kann man ja "to sense" nicht von "to perceive" unterscheiden – eine Unterscheidung, die auch bei Piaget eine große Rolle spielt). Zudem dürfte von "Zeit" hier eigentlich nicht die Rede sein, denn dieser Begriff kann erst auf einer höheren Stufe der Begriffsbildung geformt werden. Mit der Auffassung, daß die Vernunft gewissermaßen "über" dem Niveau der Erkennungsmatrizen steht, ihnen Dinghaftigkeit verleiht und zwischen ihnen Verhältnisse und Verbindungen schafft, mit dieser Auffassung bin ich völlig einverstanden.

Ich danke HW für seinen anregenden Kommentar und hoffe sehr, daß dieser Austausch fortgesetzt werden kann.

------------------------------ Ernst von Glasersfeld e-mail<Evonglas@aol.com>

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