01.02.2000 H. Walther: Man müßte Klavierspielen können ... 02.02.2000 DER SPIEGEL: Doping fürs Gehirn 15.10.2003 BdW Internet: Schon zwanzig Minuten Klavierspiel verändert die Hirnfunktionen 06.08.2003 BdW Internet: Auch Sprache ist Musik 28.07.2003 BdW Internet: Musizierende Kinder haben ein besseres Gedächtnis 13.12.2002 BdW Internet: Musik aktiviert das Gehirn auf immer neue Weise 14.05.2002 BdW Internet: Musikalität trieb die Evolution von Sprache und Gehirn voran Man müßte Klavierspielen können ... Eine gute Möglichkeit, die abstrahierende Verkürzung sowie die Oberzeichen-Bildung beim Lernen zu beobachten, ist das Klavierspiel. Eine erste Beobachtung zeigt, daß nach einer bestimmten Übungszeit eines Stückes Noten, Akkorde und ganze Takte in Verbundzeichen umgesetzt werden, die wiedererkannt werden, ohne daß sie als einzelne auf dem Notenblatt gesehen werden. Seltsamer noch, das wirkliche Wiederkennen bereits gespeicherter Oberzeichen und Noten in ihren Einzelheiten bedeutet Mühe, und fast scheint es so, mehr an Mühe, als wenn sie ungespeichert sind. Dies scheint dafür zu sprechen, daß bei einer vorhergehenden Speicherung die erneute Durchdringung einen besonderen Akt erfordert, weil hier bestimmte Nervenzellen miteinander verdrahtet und besetzt sind. Fangen wir also einmal von vorne an: beim Klavierspiel nach Noten wird ein geistiger Akt mit einer körperlichen Tätigkeit verbunden – ganz bestimmte Zeichen sollen bis ins einzelne vorgeschriebene Tätigkeitsabläufe ausführen lassen. Erster Schritt: ein unbekanntes Stück muß ab einem gewissen Schwierigkeitsgrad erarbeitet werden im Gegensatz zu leichteren Stücken, die aufgrund derjenigen Gewöhnung vom Blatt gespielt werden können, die durch die Erarbeitung bei schwierigeren erst erworben werden muß. Akkorde, Zeitmaß und Zueinanderstellung der Noten müssen zunächst für die rechte und linke Hand gesondert entziffert werden: Noten sind Zeichen, deren Bedeutungsgehalt in eine Tätigkeit umgesetzt werden muß, wozu die Kenntnis der Zuordnung von einzelnen Noten zu einzelnen Tasten Voraussetzung ist. Nun ist, anfangs am besten jeweils nur für eine Hand, mittels Nervenimpuls der entsprechende Notenverlauf oder Akkord nachzuvollziehen, indem Arm- und Fingermuskeln erregt werden. Was allerdings bereits wieder jene motorische Gewöhnung voraussetzt, die entsprechende Bewegung auch ausführen zu können. Anfangs wird dabei ein langsames Nacheinander herauskommen, da über das Auge erst jeder zusammenhängende Verlauf oder Akkord aufzunehmen und zwecks Wiedererkennung und Umsetzung seiner Einzelteile mit dem Gedächtnis abzugleichen ist; sodann müssen die einzelnen Impulse für jeden der beteiligten Finger „versandt" werden. Schließlich muß sich die Motorik auf das spezifische Mit- und Nacheinander von Akkorden und Verläufen einstellen, um jene in der rechten Reihenfolge und im rechten Zeitmaß zu spielen. Dabei sind gleich drei Sinnesorgane: Auge, Tastsinn und Ohr (als „Bio-Feedback-Kontrolle") beteiligt. Sind endlich dem Gedächtnis sowie der Motorik der Finger durch einige Übungsläufe die zu spielenden Noten einigermaßen bekannt, werden beide Hände zusammengespielt und deren Koordination eingeübt. Zweiter Schritt: um ein Stück in gehöriger Weise als ein Ganzes spielen zu können, muß nun eine weitere und doppelte Gewöhnungsarbeit geleistet werden. Durch Konzentration und Wiederholen muß sich das Gedächtnis die Akkorde und Tonfolgen in der Weise einprägen, daß jene nicht mehr in Einzelheiten zerlegt werden müssen, sondern vielmehr wird ein Akkord zu einem Gesamtzeichen, das seine Einzelheiten „von selbst" hergibt, ebenso wie für eine bestimmte Tonfolge nunmehr etwa der Taktanfang genügt, um den gesamten Takt ablaufen zu lassen. Das Ablesen der Noten wird bei zunehmendem Lernerfolg nurmehr zu einer Gedächtnisstütze, um die einzelnen Oberzeichen und deren Reihenfolge aufzunehmen. Eine gleichzeitig stattfindende motorische Gewöhnung automatisiert das Umsetzen der Noten in eine genau festgelegte Tätigkeit der Hände: eine bestimmte Fingerhaltung und –bewegung wird den Oberzeichen fest zugeordnet. Von daher drängt sich der Eindruck auf, daß die Hände jeweils wüßten, was sie zu tun haben, ohne daß das Bewußtsein aktiv eingriffe. Das Bewußtsein empfindet sich eher neben als in der motorischen Ausführung. Die vorstellende Tätigkeit beschränkt sich auf das Einsatz-Geben für die Anfänge der Teilstücke, die Einzelheiten laufen völlig unbewußt ab. Daher denn auch die Schwierigkeit, Fehler auszumerzen, wenn sich solche einmal eingeschlichen haben; ganz offenbar ist es schwieriger, in den oberzeichenmäßig verbundenen Ablauf, das Zusammenspiel zwischen Gedächtnis und Motorik einzugreifen, als einen solchen Ablauf neu zu lernen. Denn die Auflösung und erneute Zusammenfügung eines neuronal bereits vernetzten Ablaufes erfordert im Wortsinn mehr Energie und Konzentration als das Zusammenfügen allein. [Ergänzung 07.05.2008: So auch der Neurobiologe Gerhard Neuweiler in seinem Buch "Und wir sind es doch - die Krone der Evolution" (Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2008): Dritter Schritt: Jetzt kann die Arbeit am Stück selbst beginnen; zuerst müssen, wenn nötig, die Tempi der einzelnen Teile in Bezug auf die motorischen Abläufe beschleunigt werden, was per se ipsum zu einer weiteren Automatisierung des Auffassens wie der Motorik führt, sodaß nunmehr im einzelnen durchaus kein bewußtes Wissen davon vorhanden ist, was an Noten gespielt wird. Die Aufmerksamkeit befindet sich vielmehr nun im Gesamtzusammenhang und eilt notenmäßig nur von Oberbegriff zu Oberbegriff. Dadurch wird das Bewußtsein frei, sich jetzt auf die eigentliche Wiedergabe hinsichtlich der Tempi, der Dynamik, des Ausdrucks zu konzentrieren. Es werden sicherlich auch andere Aussagen über das Klavierspiel gemacht werden, insonderheit von jenen Genies, die sich hinsetzen und die schwierigsten Dinge vom Blatt spielen, oder Partituren im Flugzeug besehen, um sie dann auswendig zu spielen – es gibt hier auch noch ganz andere Varianten der Vernetzung zwischen der Aufnahme durch die Sinne, der Gedächtnisverarbeitung samt Zugang zur Motorik. Hier ist der Fall angenommen, daß die Vernetzung des Gehirns dazu nötigt, nicht nur den Verstand, sondern auch die Reflexion/Vernunft zu benutzen, und auch nur über jenen Weg Zugang zum Gedächtnis zu erlangen. Dies ist ganz offenbar für das Klavierspiel ein Nachteil, als die Vernetzung zwischen Verstand, Gedächtnis, Emotio und Motorik wesentlich direkter und damit effizienter arbeitet. Das stimmt wiederum damit zusammen, daß jedes neue Oberzentrum zunächst eine Hemmung ist – und hier denn auch in der reflektierenden Oberzeichen-Bildung tatsächlich hemmend wirkt. Ergänzung 04.06.2007: Wie ich entdecke, hat sich auch Friedrich Nietzsche über diesen Zusammenhang seine Gedanken gemacht, die in seinen Nachlass-Fragmenten aufgezeichnet sind: Ergänzung 26.06.2017:
Wie ich erst jetzt entdeckt habe, haben sich auch Sir John C Eccles und Karl R. Popper in ihrem gemeinsamen Buch Das Ich und sein Gehirn (Piper, München 1982, S. 624)
Gedanken über Gehirn und Klavierspiel gemacht, die ich hier gerne wiedergebe: Der SPIEGEL Nr. 40 vom 02.10.2000 bringt auf Seite 316 einen recht interessanten Artikel von PATRICIA NEIS zum Thema "Musikwissenschaft", dessen Einsichten sich mit den hier geäußerten Thesen m.E. ganz ausgezeichnet ergänzen; die wichtigsten Passagen daraus seien daher hier zitiert: Unter dem Titel Doping fürs Gehirn Jahrelanges Üben am Klavier oder Cello, fanden Forscher heraus, schreibt die Autorin: Am Ende seines Lebens schwärmte Franz Liszt, der geniale Komponist und Pianist: "Das Klavier, das bin ich selbst, das ist meine Sprache, das ist mein Leben – der intime Verwahrer all dessen, was mein Hirn in den hitzigen Tagen meiner Jugend bewegte. Hier lagen all meine Sehnsüchte, all meine Träume, all meine Freuden und all meine Schmerzen." Um in der Tonsprache zu dichten, ist der göttliche Funke Begabung Voraussetzung. Doch die Sprache zu sprechen, erfordert vor allem eines: üben, üben, üben. Die Auswirkungen dieser jahrelangen Disziplin untersucht das Team um Professor Eckart Altenmüller, Direktor des Instituts für Musikphysiologie und Musiker-Medizin an der Musikhochschule Hannover. "Professionelles Musizieren auf hohem Niveau gehört zu den schwierigsten menschlichen Leistungen", sagt der Neurologe und ausgebildete Flötist, "Gehörsinn, Motorik, Körperwahrnehmung und Himzentren, die Emotionen verarbeiten, werden gleichzeitig beansprucht." Dieses Dauertraining, fand der Forscher heraus hinterlässt Spuren im Gehirn. Altenmüller und seine Mitarbeiter verglichen mit Hilfe eines Elektroenzephalogramms (EEG) die Gehirnaktivität von professionellen klassischen Pianisten und Laien miteinander. Sie stellten fest, dass bei Profis Hör- und Bewegungsareale miteinander verzahnt sind. Schon die Reizung nur eines der beiden Felder reicht aus, um das jeweils andere automatisch mit zu aktivieren. Dem Pianisten kribbelt es also in den Fingern, wenn er nur Musik hört. Anfänger können schon nach zehnminütigem Üben diese auditorisch-sensomotorische Koppelung erwerben, die aber nur von kurzer Dauer ist. Erst nach ungefähr fünf Wochen Training festigen sich die Verknüpfungen. Mit jahrelangem Musizieren nimmt auch die Vernetzung der Nervenzellen des Hörzentrums zu. Ein dicker Nervenstrang, das Corpus callosum, verbindet die rechte Gehirnhälfte mit der linken und insbesondere Gebiete, die für Planung und Ausführung von Handlungen verantwortlich sind. Diese Verbindung ist bei Musikern ausgeprägter. Bei Kindern, die vor dem siebten Lebensjahr mit dem Musizieren begonnen haben, ist sie besonders stark. Vergrößert sind bei ihnen ebenfalls Handund Hörareale im Gehirn. "Musizieren trainiert aber noch viel mehr, nämlich Konzentrationsfähigkeit, Ausdauer, Verfolgen langfristiger Ziele", behauptet Altenmüller, "also Dinge, die jeder Personalchef schätzt." Diese Ansicht teilt auch Hans Günther Bastian, Professor für Musikpädagogik in Frankfurt am Main. Sechs Jahre lang beobachtete er an Berliner Grundschulen musizierende Sechs- bis Zwölfjährige. Die Befunde sind erstaunlich: Musikalisch hoch begabte Kinder sind in der Regel auch sehr intelligent. Musik- und Instrumentalunterricht sowie Ensemblespiel verbesserten zudem soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, emotionale Stabilität und Reflexionsfähigkeit. Die Zahl der Schüler, die in den Klassen isoliert waren, sank deutlich. Bastian plädiert daher für eine "Bildungspolitik mit Musik", denn die sei "die beste Sozialpolitik". Der Intelligenzquotient stieg auch bei sozial benachteiligten und in ihrer Entwicklung wenig geförderten Kindern an. Dass der Mensch Hunderte von Melodien wiedererkennen und behalten kann, aber nur Bruchstücke von Texten, zeigt, wie gut das Gehirn für die Speicherung von Tönen ausgelegt ist. Bei Epileptikern können bestimmte Musikstile Gehirnkrämpfe auslösen. Andererseits konnten, so zeigen Studien, Patienten mit ihrer Lieblingsmusik vor Operationen angenehm sediert werden und erlebten den Eingriff so als weniger traumatisch. Altenmüller vermutet daher eine enge Verbindung zum Limbischen System, einem Bereich, der Affekt- und Triebverhalten regelt. Sogar die Gefühle, die beim Musikhören entstehen, konnte der Mediziner im EEG messen. Bei den als schön empfundenen, eher konsonanten Klängen wurde die linke Schläfen- und Stirnhirnregion aktiv, die Region, die positive Gefühle verarbeitet, bei schrillen Dissonanzen die rechte, Aufbewahrungsort für schlechte Erfahrungen: Hits nach links – Flops nach rechts. Dabei nehmen Männer und Frauen Musik unterschiedlich wahr. Durch positive oder negative Höreindrücke wurden bei Frauen größere Himareale als bei Männern aktiviert, dafür bei Männern aber einzelne Areale stärker. Frauen empfinden offenbar extremer. Die Zahl der als sehr angenehm oder sehr unangenehm beurteilten Eindrücke war bei ihnen höher. ... Hirnforschung: Schon zwanzig Minuten Klavierspiel verändert die Hirnfunktionen Wer als Erwachsener das erste Mal in seinem Leben in die Klaviertastatur greift, verändert schon nach wenigen Minuten Übung die elektrischen Verbindungen in seinem Gehirn. Es entsteht ein auf der Kopfhaut messbarer Zusammenschluss zwischen den Bewegungs- und Hörarealen der Hirnoberfläche, berichten Forscher im Magazin "BMC Neuroscience" (Ausgabe vom 15. Oktober). Für Pianisten ist eine enge Verbindung zwischen den Hörarealen und den Bewegungszentren im Gehirn typisch. Hirnscans haben gezeigt, dass bei professionellen Klavierspielern schon das lautlosen Spielen von Tasten den Stoffwechsel in Hörregionen ankurbelt und umgekehrt das Hören von Melodien motorische Zentren des Gehirns aktiviert. Von einigen Klavierspielern wird sogar erzählt, dass sich bei ihnen die Finger wie von selbst bewegen, wenn bestimmte Melodien erklingen, was eine besonders innige Verbindung zwischen Motorischer Rinde und Hörrinde des Großhirns vermuten lässt. Der Wissenschaftler Eckart Altenmüller vom Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin in Hannover wollte zusammen mit seinem Kollegen Marc Bangert von der Harvard Medical School in Boston wissen, wie schnell bei Klavier-Neulingen eine entsprechende Verbindung entsteht. Sie gaben dazu Anfängern zehn Mal zwanzig Minuten Klavierunterricht. Allerdings bekamen die Neulinge weder Noten zu sehen noch durften sie ihre Hände beim Spielen auf einem elektrischen Piano beobachten. Sie sollten lediglich Musikstücke anhören und versuchen, die Melodien durch ihr Fingerspiel zu wiederholen. Auf die Weise wollten die Forscher sicherstellen, dass im Gehirn der Testpersonen neben den Hör- und Bewegungs-Zentren keine weiteren Areale bei der Bewältigung der Aufgabe halfen. Nach der ersten, fünften und zehnten Unterrichtsstunde maßen die Forscher mit Elektroden auf der Kopfoberfläche, welche Hirnareale aktiv wurden, wenn die Klavierschüler entweder ein Musikstück hörten oder nur still Tasten drückten. Die Forscher fanden, dass bei den Klaviernovizen schon nach der ersten Übungssitzung ähnlich wie bei professionellen Pianisten das Hören von Melodien auch Bewegungsareale aktivierte und umgekehrt das stille Drücken von Tasten die elektrische Aktivität in Hörarealen steigerte. Der Effekt verstärkte sich mit der Anzahl der Klavierstunden. Interessant fanden Altenmüller und Bangert zudem, dass bei den Testpersonen eine Hörregion im rechten Gehirn aktiv wurde, die dem Broca-Areal auf der linken Kopfseite entspricht. Das Broca-Areal spielt eine zentrale Rolle beim Begreifen von Sprache. Sein Pendant auf der rechten Hirnhälfte scheint eine ähnlich wichtige Rolle beim Verstehen von Musik zu spielen. ddp/bdw – Andreas Wawrzinek Psychologie: Auch Sprache ist Musik Der Mensch benutzt beim Sprechen bevorzugt die Töne der chromatischen Tonleiter. Dies gilt selbst für so unterschiedliche Sprachen wie Englisch und den chinesischen Standarddialekt Mandarin. Diese Schlussfolgerung ziehen amerikanische Wissenschaftler aus einer statistischen Untersuchung verschiedener Sprachen, über die sie im Fachmagazin Journal of Neuroscience berichten. In praktisch allen menschlichen Sprachen werden bestimmte Tonhöhen lauter ausgesprochen als andere, fanden David Schwartz, Catherine Howe und Dale Purves von der Duke-Universität in Chicago bei der Sprachanalyse hunderter von Menschen heraus. Besonders überrascht waren die Wissenschaftler, als sie feststellten, dass die in der höchsten Lautstärke gebrauchten Frequenzen genau die Töne der chromatischen Tonleiter widerspiegeln. Diese Tonskala ist die Grundlage fast aller Formen von Musik und entspricht den schwarzen und weißen Tasten auf einem Klavier. Beim Sprechen verwenden Menschen bevorzugt Tonhöhen, die in einem auch nach musikalischen Begriffen harmonischen Verhältnis zueinander stehen: Oktaven sind beispielsweise die in der Sprache am meisten verwendeten Intervalle, häufig waren auch Quinten, während die als disharmonisch empfundene kleine Sekunde praktisch überhaupt nicht auftritt. ddp/bdw – Ilka Lehnen-Beyel Psychologie: Musizierende Kinder haben ein besseres Gedächtnis Musik bringt das Gehirn von Kindern auf Trab: Musizierende Kinder üben nicht nur das Notenlesen und verbessern ihre Feinmotorik am Instrument, sie schneiden auch bei Gedächtnistests deutlich besser ab. Das berichtet die Psychologin Agnes Chan von der Universität in Hong Kong im Fachmagazin Neuropsychology (Bd. 17, Ausg. 3).Chan und ihr Team hatten das Wortgedächtnis von 45 Jungen eines Orchesters im Alter von sechs bis fünfzehn Jahren mit den Merkfähigkeiten musikalisch nicht geförderter Altersgenossen verglichen. Die Jungen des Orchesters konnten sich Wortlisten deutlich besser einprägen und waren darin um so erfolgreicher, je länger sie Mitglied im Orchester waren, berichten die Forscher. Nach einem Jahr wiederholten die Psychologen ihr Experiment. Jungen, die im Laufe des Jahres dem Orchester beigetreten waren, schnitten nun deutlich besser bei den Tests ab. Bei Kindern hingegen, die das Orchester verlassen hatten, blieb das Gedächtnis auf dem erreichten Niveau. Musik trainiert die Fähigkeiten des gesamten Gehirns, schreiben die Forscher. Möglicherweise fördert dabei das Musizieren bestimmte Hirnareale besonders, die dann aber andere Bereiche des Gehirns bei ihren Aufgaben unterstützen. Dies könne man vergleichen mit einem joggenden Sportler, dem die gewonnene Kraft in den Beinen nicht nur beim Laufen, sondern auch bei anderen Sportarten wie etwa Tennis hilft. ddp/bdw – Andreas Wawrzinek Hirnforschung: Musik aktiviert das Gehirn auf immer neue Weise Ein Musikstück aktiviert das Gehirn bei jedem Hören anders, fanden amerikanische Wissenschaftler. Ihre Beobachtung sei gleichzeitig der erste handfeste Beweis für die schon lange gehegte Vermutung, dass das Gehirn auch gleiche Informationen auf eine dynamische Weise immer wieder neu verarbeitet, schreiben sie im Magazin "Science" (Bd. 298, S. 2167). Die Forscher vom Dartmouth-Zentrum für kognitive Hirnforschung haben verschiedenen Testpersonen ein kompliziertes Musikstück vorgespielt, das innerhalb von acht Minuten alle Tonarten der westlichen Musik durchläuft. Gleichzeitig beobachteten sie die Aktivität im Gehirn der Probanden mit einem bildgebenden Verfahren. Die musikgeübten Versuchspersonen sollten während der Sitzungen eine bestimmte Melodie und einen Instrumentenwechsel aus dem Stück heraushören. Zur Überraschung der Forscher aktivierte das gleiche Musikstück bei den Testpersonen bei jedem Hören andere Areale im Gehirn. Mit Hilfe statistischer Methoden konnten die Wissenschaftler dennoch ein Zentrum im Gehirn ausfindig machen, das sich offenbar mit der Analyse von Musik beschäftigt. Während Melodien zunächst in Hirnregionen hinter den Schläfen verarbeitet werden, befindet sich das höhere Analysezentrum direkt hinter der Stirn, im so genannten rostromedialen Stirnhirn. Dieses Zentrum ist Wissenschaftlern schon länger bekannt als eine Region, in der das Gehirn emotional bewegende Eindrücke mit vernünftigen Erwägungen in Einklang bringt. Warum ausgerechnet diese Region auch Musik analysiert, konnten die Forscher jedoch nicht klären. ddp/bdw - Andreas Wawrzinek Hirnforschung: Musikalität trieb die Evolution von Sprache und Gehirn voran Eine neue Technologie zur Untersuchung der Evolution des Gehirns enthüllt überraschende Veränderungen der musikalisch begabten rechten Hirnhälfte. Die Veränderungen könnten unseren frühesten Vorfahren die Kommunikation erleichtert haben. Viele Hirnforscher gehen davon aus, dass es vor allem die linke Hirnhälfte mit ihren analytischen und sprachlichen Fähigkeiten ist, die uns vom Tier unterscheidet. Die linke Seite gilt zudem als dominant, während viele Areale der rechten Hirnhälfte nur der linken Seite assistieren sollen. Bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts glaubte man sogar, die rechte Hemisphäre würde "stille Areale" besitzen, die keine näher bestimmte Aufgabe haben. Erst später wurde deutlich, dass auch die rechte Hemisphäre selbständig komplexe Aufgaben lösen kann und sogar geschriebene Worte versteht. Beobachtungen von Karl Zille vom Forschungszentrum Jülich legen nun zudem nahe, dass die Evolution zum Menschen die rechte Hirnhälfte stärker verändert hat als die linke. Sein Kollege Dean Falk von der Staatsuniversität Florida glaubt, dass diese Veränderungen vor allem dem Spracherwerb zugute kamen und dadurch die Überlebenschancen unserer Vorfahren verbessert haben. Diese These äußerte Falk jetzt auf einem Treffen der Amerikanischen Gesellschaft für physikalische Anthropologie. Die Windungen der Hirnrinde hinterlassen Abdrücke auf der Innenseite der Schädelkapsel. Zille hat mit Hilfe einer Tomografie bei zehn Menschen die Abdrücke erfasst und anschließend am Computer mit Hilfe von Mittelwerten einen typischen Gehirnabdruck errechnet. Das gleiche machte er bei sieben Zwergschimpansen, auch "Bonobos" genannt, die als die nächsten lebenden Verwandten des Menschen gelten. Mit einer Art Morphingprogramm verglich er anschließend den Abdruck des Bonobogehirns mit dem Abdruck des menschlichen Gehirns. Abgesehen vom größeren Umfang der menschlichen Hirnrinde fand Zille fünf Strukturveränderungen, die das Gehirn des Menschen deutlich von dem des Zwergschimpansen unterscheiden. Zwei davon befinden sich auf der linken Hemisphäre, drei auf der rechten. Dazu gehört etwa eine schwulstförmige Zunahme an Masse, die sich auf der rechten Hemisphäre vom Stirnhirn bis zum Hinterhauptlappen erstreckt. Ein Vorteil der von Zille angewandten Methode ist, dass sie auch auf Schädelfunde von Früh- und Vormenschen anwendbar ist. Tatsächlich fand der Forscher entsprechende Änderungen in den Kapseln von dreizehn hominiden Schädeln, etwa dem eines 2,5 Millionen Jahre alten Australopithecinen und dem eines 60.000 Jahre alten Neandertalers. Falk wagte nun eine Deutung dieses Fundes. Die rechte Hirnhälfte prozessiert vor allem räumlichen Aufgaben, Gefühle, Musik und die Melodie der Sprache. Der Anthropologe glaubt daher, das die Veränderungen unseren Vorfahren den Umgang mit Sprache erleichtert haben könnten. Dies um so mehr, als die ersten Schritte hin zu einer Sprache möglicherweise nicht in konkreten Bezeichnungen für Gegenstände, sondern in emotional gefärbten Lautäußerungen bestanden haben. Andreas Wawrzinek Dr. Willi Stadelmann: Musik und Gehirn Der Text bietet einen kurzen Überblick über einige Erkenntnisse zum
Thema Musik und Lernen und liefert dazu wichtige Diskussionsanstösse. "Wir erleben
die Welt also nie so, wie sie real existiert; wir erleben sie individuell im Mass der Möglichkeiten
unserer Sinnesorgane, der Qualität der Umwandlung in elektrische Signalmuster und der
individuellen Interpretation, also der Umwandlung in Bewusstsein. Musik entsteht in unserem
Gehirn: Unser Gehirn macht Musik." Ältere Erwachsene, die im Kindesalter ein paar Jahre lang ein Instrument gespielt haben, sind schneller bei der Verarbeitung gehörter Sprache Die Auswertungen ergaben: Das Hörzentrum von Probanden, die in ihrer Kindheit oder Jugend 4 bis 14 Jahre lang musiziert hatten, reagierte deutlich schneller auf die Silbe als das der Studienteilnehmer, die niemals Musikunterricht bekommen hatten. Die Nervenreaktion war im Durchschnitt eine Millisekunde schneller. |
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